Routen-Beschreibung

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Dauer 3h30 | Bergauf 300 m / Bergab 300 m | Länge 10 km | Ostschweiz | Saison 04-11 | Schwierigkeit T1/T2| Wanderung Weesen - Quinten

Am Ostschweizer Mittelmeer

Man wähnt sich in Südeuropa, befindet sich aber in der Ostschweiz: Die Wanderung von Weesen nach Quinten entlang dem Walensee bietet viel Italianitä, ein Matterhorn und den höchsten Wasserfall der Schweiz.

(Achtung: Der Abstieg nach Quinten entpricht eher einem Berg-statt einem gewöhnlichem gelb markierten Wanderweg. Aeusserste Vorsicht ist bei Nässe angesagt!!!!)

Du suchst Frieden? Dann schlag im Lexikon nach - unter "F". Man muss mit Matthew Good, dem Verfasser dieser Textzeile, Nachsehen haben - der kanadische Rockmusiker kann nicht wissen, dass man unter «B» wie Betlis nachschlagen sollte. Betlis ist ein kleiner Weiler ausserhalb von Weesen: Zwei Dutzend Häuser, die weitläufig über eine direkt über dem Walensee liegende Wiesenfläche verstreut sind. Ja, und in Betlis lässt man sich ohne schlechtes Gewissen zu Klischeesätzen hinreissen wie: «Hier ist die Welt noch in Ordnung.»

In den Wiesen blühen Butterblumen, Margriten und Klee zu Tausenden, und den Kiesweg säumen Holzställe und schmucke Häuschen mit noch schmuckeren, bis ins letzte Detail gepflegten Gärten. Wer hier nicht den Fotoapparat zückt, muss ziemlich abgebrüht sein - denn selbst die weiss-braunen Geissen mit ihren langen Schlappohren sind äusserst fotogen und schmeissen sich auf dem Miststock in Pose. Das Nordufer des Walensees ist sonnenverwöhnt, hier gedeihen selbst Palmen, Kiwipflanzen und Feigenbäume. Und nicht genug damit, stürzt sich gleich hinter Betlis der höchste Wasserfall der Schweiz über die Felswände.

Zwei Naturschauspiele auf einen Schlag
Gestartet sind wir in Fli, einem , Ortsteil von Weesen, und nach rund 40-minütigem Fussmarsch entlang des Seeufers in Betlis im «Paradiesli» angekommen. So nennt sich das eine von zwei Restaurants im Ort und wirbt mit dem Slogan «traumhaft abgelegen» für sich - so abgelegen, dass es nicht einmal über eine Homepage verfügt. Seine Energie investiert das Wirtepaar Regula Basler und Bruno Gugele lieber in die Pflege des eigenen Gartens und die Zubereitung von hauseigenen Speisen.

So werden hier etwa der Kuchen oder das Brot selbst gebacken, das Gemüse kommt aus dem Garten, und die Kiwi- oder Feigenkonfitüre wird aus den Früchten hergestellt, die rund um das Haus wachsen. Von der schon morgens gut besetzten Restaurantterrasse geht der Blick über den See zum imposanten Gipfel des Mürtschenstocks, der mit dem Matterhorn eine gewisse Ähnlichkeit hat. Nach kurzer Rast machen wir uns auf zu zwei Naturschauspielen, die bequemerweise gleich nebeneinander liegen: den Seerenbachfällen und der Rinquelle. Die Seerenbachfälle bestehen aus drei Kaskaden, von denen die zweite mit 305 Meter der höchste Wasserfall der Schweiz ist. Die Rinquelle ist der Überlauf eines grossen unterirdischen Flusssystems im Fels, wo während der Schneeschmelze oder nach ausgiebigen Regenfällen, das Wasser aus dem Berg schiesst.
Der Weg ist nun nass und rutschig, direkt bei den tosenden Fällen bläst ein kühler Wind, und die Luftfeuchtigkeit beträgt wohl gegen 99 Prozent. Kein Wunder: Auf ihrem langen Weg nach unten zerfallen die Wasserschwaden der Seerenbachfälle zu feinem Staub. Gleich daneben tritt die Rinquelle wie aus dem Nichts unter dem Blätterdach hervor und stürzt sich 45 Meter tief in die Schlucht und den wilden Seerenbach. Über das Tobel führt eine kleine Seilbahn, die von Höhlentauchern für den wackligen Material- und Personentransport benutzt wird.

Ein Höhlensystem, das über 930 Meter in den Berg reicht
Der «sechste Kontinent», wie die Höhlenforscher die Welt unter Tag nennen, hat gerade hier bei der Rinquelle seit den Sechzigerjahren die Abenteurerlust und den Entdeckergeist geweckt. 1973 versuchte auch der bekannte Höhlentaucher Jochen Hasenmayer dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, woher das Wasser der Rinquelle stammt. Er schaffte es 930 Meter weit in den Berg hinein, entdeckte Seen und luftgefüllte Räume - aber nicht die Herkunft des Wassers.
Etliche Tauchexpeditionen nach ihm, die aufgrund des niedrigen Wasserstands meist im Winter stattfinden, versuchten sich an der gleichen Aufgabe, erforschten 1450 Meter Unterwassergänge. Doch das Geheimnis der riesigen Karstquelle konnte bis heute nicht gänzlich gelüftet werden. Sicher ist jedoch, dass zum Einzugsgebiet der Rinquelle die Nordhänge der Churfirsten gehören. Unser Weg führt nun grösstenteils durch den schattenspendenden Wald und steigt stetig leicht an. Das Laubwerk der Bäume und Büsche präsentiert uns eine Chlorophyllsymphonie die von Oliv- über Linden-, Flaschen- und Pfefferminz- bis ins Zitronengrün geht. Und knapp 200 Meter senkrecht unter uns glitzert das mittelmeerblaue Wasser des Walensees.
Gerade auf dem letzten Teil der Wanderung, der uns hinunter nach Quinten führt, fällt der Hang rechts vom Weg oft schauerlich steil und tief ab. Das ist aber kein Problem, da diese Passagen mit einem Drahtseilzaun gesichert sind. Das Zirpen der Grillen, die Palmen, Feigenbäume und die verschiedenen kleinen Rebhänge kündigen bald an, dass wir nun in Quinten angekommen sind.
Der hübsche 60-Seelen-Ort ist nur zu Fuss oder auf dem Wasserweg erreichbar, die Strässchen sind alle ungeteert, und im Feuerwehrdepot steht lediglich ein kleiner Schlauchwagen. Südliches Ambiente liegt auch hier in der flimmernden Luft, und man realisiert: Wer nach etwas Frieden sucht, könnte auch unter «Q» nachschlagen.

Text Üse Meyer

Quelle: Migros Magazin 24, 8. Juni 2009

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