Routen-Beschreibung

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Dauer 3h00 | Mittelland | Saison 1-12 | Schwierigkeit T1 | Dürrenroth - Oberwald - Sumiswald

Hinfahrt:
Bern ab: 08h20
Duerrenroth an: 09h30 Standort
Rückfahrt:
Sumiswald ab: 16h18 Standort
Bern an: 17h10
Verpflegung:
Kaffee zum Start im Bären Dürrenroth; Mittagessen im Restaurant Oberwald. Ich habe mit dem Wirt, Herr Huber am Sonntag telefoniert 062 966 15 19.: Normalerweise oeffnet er das Restaurant erst um 13h00. Er macht jedoch für uns eine Ausnahme und öffnet bereits ab 11h30. Es wird eine warme Suppe, Kartoffelsalat mit einer Wurst geben.

Hansruedi offeriert den Aperowein. Bitte alle das Glas selber mitnehmen.

Wanderzeit:
3h00

Höhendifferenz:
Knapp 200 m

Textauszug aus:

Mordsspaziergänge - Kriminalliterarische Wanderungen im Kanton Bern)

Man muss sich das vorstellen:...

Sam Jaun, der gebürtige Emmentaler und ehemalige Kultursekretär der Stadt Bern, sitzt in einem Zimmer in New York und schreibt einen Krimi, der im Emmental spielt. Als Inspiration und visuelle Brücke zwischen Schreib- und Tatort dient ihm die »Swissair-Gazette«, die den Amerikanern eine Reise in seine Heimat schmackhaft machen soll. Mit den Fotos dieses Magazins tapeziert er seine New Yorker Kammer, mischt die Kodachrome-Bilder an den Wänden mit den sepiafarbenen seiner Erinnerung und schustert sich damit ein eigenes, neues Einmental.

Das Emmental ist der Wilde Westen der Schweiz. Man braucht nicht dort gewesen zu sein, um es zu «kennen«. Ohne je einen Fuß m die Wüste New Mexicos oder die Hügel und Gräben des Emmentals gesetzt zu haben, ist man immer schon tausend Mal dort gewesen. Auf dem Pferdewagen neben John Wayne im einen, zwischen Liio Pulver und Hannes Schmidhauser im anderen Fall.

»Mit dem Emmental ist es so eine Sache, indem es fast durch­wegs nicht dort liegt, wo die Emme fließt." Das schreibt einer, der es wissen muss: Peter Trachsel, der ehemalige Stadtpräsident von Burg­dorf (im Emmental). Beispiele gefällig? Langnau i. E. liegt an der Ilfis. Wasen i. E. liegt dort, wo der Hornbach und der Churzeneibach zur Grüene zusammenfließen. Affoltern i. E. liegt auf einem Hügel, von dem aus die Emme auch bei klarstem Wetter nirgends zu sehen ist. Trachsels Text thematisiert noch eine ganze Reihe weiterer Miss­verständnisse über das Emmental, neben denen die topografischen eher zu den harmloseren gehören (Gugger & Schürpf, 1997).

Sam Jaun räumt keine topografischen Missverständnisse aus. Vielmehr schafft er neue. Der Tatort in seinem Kriminalroman »Die Brandnacht« heißt Schwant. Wer das »a« des Dorfnamens lang zieht, dem schwant schon etwas. Das Buch ist dem Dorf am falschen Ende des Emmentals gewidmet. Auf den unbestechlichen Karten der Landestopografie ist an keinem der vielen Enden des Emmentals ein Ort namens Schwant eingetragen. »Ja natürlich«, lacht der Autor munter durchs Telefon, »Schwant gibt es nicht.« Jaun hat Schwant erfunden. Und weil auch ein Emmentaler Krimi aufgeklärt sein will, hat Jaun den Detektiv Peter Keller dazu erfunden.

Peter Keller: Grenadieroffizier, Schwarzgurt, Teilzeit-Polizeiinstruktor, Kunstmaler und Sozialdemokrat. Heimatberechtigt in Schwant, dem Dorf am fälschen Ende des Emmentals. Es ist der Mordfall Drechsel, der ihn in »Die Brandnacht« nach einem halben Erwachsenenleben wieder nach Schwant zurück führt. Eva Drechsel ist innerhalb von sechs Jahren die zweite junge Schwanterin, die mit bloßen Händen erwürgt worden ist. Der Hauptverdächtige, Otto Balsiger, sitzt in Untersuchungshaft, aber Ermittler Keller hat seine Zweifel an der Schuld Balsigers. Bei seinen Nachforschungen begeg­net er unter anderem einem alten Freund wieder, der inzwischen das Oberhaupt der lokalen Sekte, der Wahren Christen oder Amositer, geworden ist. Er lernt auch die »Gesellschaft der Freunde Schwants« kennen, sieben rührige Rentner, die sich zum Ziel gesetzt haben, Schwant ins 20. Jahrhundert zu holen. Ob Amositer oder Freunde Schwants, die ansässige Bevölkerung zeigt eben so wenig Bereit­schaft wie die örtliche Polizei, Keller bei der Aufklärung des Falls behilflich zu sein. Ganz im Gegenteil. Keller, der Dickschädel, setzt zu einem störrischen Sturmlauf an, bei dem unter anderem eine Sek­tenkirche titelgebend in Flammen aufgeht und der Ermittler selber einige Schrammen davonträgt.

Wie ist ein fiktives Dorf in einer mythischen Landschaft zu erwan­dern? Der Erfinder des Dorfes schlägt als Route die Strecke Dürrenroth-Oberwald-Schonegg-Sumiswald vor. Also auf nach Dürrenroth. Das liegt an diesem Herbstsonntag im Nebel. Der Wanderweg Richtung Oberwald vorerst auch. Die Witterung scheint dem Gegenstand der Aufmerksamkeit angemessen. Eine Landschaft fast ohne Konturen, schemenhaft, dem Blick verborgen. So darf das Ohr vortreten und hört: Kuhglockengebimmel. Hundegebell. Das Stakkato der Wehrbereitschaft aus dem nahe gelegenen Schießstand. Aber auch: das dumpfe Plopp, wenn ein reifer Apfel ins nasse Gras fällt. Das Auge kanns sich nicht verkneifen, die Sorte auszumachen: Berner Rosen.

Das Fännerhüsli auf halbem Weg zwischen Dürrenroth und Oberwald liegt auf der Nebelgrenze. Langsam kommt Farbe und Weite in die Landschaft. Und plötzlich sieht man auch die Kühe, an deren faltigen Halsen die Glocken läuten. Er trat aus dem Wald, und plötzlich lag das Land vor ihm, sich wölbend, Hügel um Hügel, ab-fallend zum Talgrund, wieder aufsteigend zum Horizont. Die Wie­sen, grün mit bunten Sprenkeln, wo das Gras der zweiten Mahd ent­gegenwuchs, hell- oder sattgrün, wo es jeden Morgen Streifen um Streifen geschnitten wurde, und die Getreidefelder, ergilbend - die Farben bald leuchtend im Licht, bald stumpf unter dem Wind. Die Häuser mit den roten oder grauen Walmdächern und den hölzernen Rundbogen unter den Giebeln, an die Hänge geduckt, in den Obst­gärten lauernd. Die grauweißen Bänder der Fahrwege, die sich von Hof zu Hof wanden. Die Sträucher und Bäume den Runsen entlang, deren Rinnsale zu Tal rieselten, und die Hecken. Die hundertjähri­gen Linden, einzeln auf den Kuppen.

Als Peter Keller in Schwant zu ermitteln beginnt, ist es Hoch­sommer. Jetzt ist die zweite Mahd verfüttert oder auf den Heuböden, das Getreide längst eingebracht, der Acker frisch gepflügt. Vorerst keine Spur von der Spur des Jaunschen Spurensuchers.

Das Restaurant Oberwald hat Betriebsferien. Der Wirt sei in Marokko in den Ferien, wird mir ausgerichtet. Ich setze mich an einen der roten Blechtische auf der besonnten Terrasse. Senta, die altersschwache Hündin, die zur Beiz gehört, schnuppert träge an meinem Sandwich. Die Meringues, für die das »Oberwald« weit he­rum bekannt ist, muss ich mir dazu denken. An der geschindelten Fassade ein Plakat, das ein Landvogt- und ein Simon-Gfeller-Erinnerungsschießen ankündigt. Es sind Gruppenpreise bis zu 350 Franken zu gewinnen. Das Geknatter aus dem Schießstand unten im Tal ist immer noch zu hören. Da wird offenbar fleißig geübt für den Simon Gfeller. Eva Drechsel aber wurde mit bloßen Händen erwürgt.

Richtung Nordwesten fällt die bucklige Landschaft sanft gegen Wyssachen ab. Dort ist Sam Jaun zur Welt gekommen. Dort mag er als Junge im Nebenzimmer gelauscht haben, wenn sein Vater, der evangelische Prediger, den Sermon vorbereitete. Und heute wäre der Tag des Herrn, an dem der Prediger der Gemeinde Sein Wort entgegenschleudert. Keine Kirchenkühle. Die Holzkapelle knackte in der Julihitze. Andächtige Düsternis. [...] Bank um Bank aufge­reiht in steinerner Demut die Gesichter der Wahren Christen. An­schauungsunterricht hatte Jaun gewiss genug für seine Schwanter Sekte.

Die Sonne frisst die letzten Nebelfetzen in den Talsohlen. Viel müsste man nicht wegretuschieren, wenn man hier - fünfzig Jahre nach Franz Schnyder - Gotthelf neu inszenieren wollte. Eigentlich über­haupt nichts. Denn weshalb sollte Ueli der Pächter im Jahr 2000 nicht im silbergrauen Japaner mit Allradantrieb vorfahren? Auch der Windgenerator drüben auf der Hügelkuppe stünde seinem Pachthof gewiss gut an. Und dank der Satellitenschüssel unter der Runde könnte er sich am Abend nach dem Melken zusammen mit Vreneli Big Brother anschauen.

Als sei der Emmentaler Sonntagsidylle, die sich unter mir aus­breitet, noch nicht genug: Jetzt beginnt irgendwo zwischen den Hügeln noch einer Alphorn zu blasen. Ich beginne zu ahnen, was Autoren wie Jaun dazu treibt, Mord und Totschlag in solchen Land­schaften anzusiedeln. Es ist nicht weniger als der Sündenfall, der da­mit neu geschrieben wird. Für die bleichen, müden, entfremdeten Seelen des (post)industriellen Zeitalters liegt hier das Paradies.

War müed und bleich isch ufecho

wird do bi üs gly gsund und froh

Und singe wird er de scho band

wie schön isch's do im Oberwaud.

Stiftung Ferienheim Oberwald steht auf demselben Schild, in das diese Erbauungslyrik eingraviert ist. Das Ferienheim liegt gleich ne­ben dem Restaurant. Man sieht sie förmlich vor sich, die Kinder des Oberaargauer Industrieproletariats, für die dieses Haus gebaut wur­de: bleich, mager, mit abgewetzten Kleidern. Hier wurden sie dann aufgefüttert, der Sonne und der gesunden Landluft ausgesetzt, um nach den Ferien gebräunt und singend wieder heimwärts zu ziehen.

Aber für mehr als eine oder zwei Ferienwochen ist das Paradies nicht auszuhalten. Das ist schon seit Adam und Eva so. Und so reiht sich Jaun in die literarische Tradition derjenigen ein, die in dieser Gegend Blut fließen lassen, Blut so rot wie die Geranien vor den blank geputzten Fenstern der verstreuten Höfe.

Ich nehme den Weg über die Schonegg unter die Füße. Die Straße folgt der lang gezogenen Kuppe, bevor sie sich in einigen en­gen Kehren nach Sumiswald herunter windet. Unterwegs begegne ich etlichen Nachfahren der bleichen, müden Kinder von Oberwald. Sie haben ihre Kinder dabei, öffnen die Heckklappen ihrer Kombi­wagen, packen ihre Cervelats aus und lassen - zwischen zwei Schlag­zeilen der Großstadtzürcher Sonntagspresse - den Blick über die Hügel und das dahinter liegende Alpenpanorama schweifen.

In Stäg frisiert ein Junge sein Töffli. Er fährt mehrmals mit oh­renbetäubendem Knattern an mir vorbei, hält immer wieder an, beugt sich über den gequälten Zweitaktmotor, gibt Standgas, schräubelt, gibt wieder Gas und dreht eine weitere Runde. Sonst kaum eine hiesige Menschenseele, in Stäg nicht und in den anderen Weilern nicht, die über die Schonegg verstreut in der Herbstsonne liegen.

So muss es Jauns Ermittler Peter Keller ergangen sein, als er be­schließt, Schwant die Wahrheit über den Mordfall Eva Drechsel ab­zuringen. Jeden Hof klappert er ab, auch den hintersten, und überall stößt er auf verschlossene Türen, Fenster, Gesichter und Münder. Der Umstand, dass Schwant sein Heimatort ist, erleichtert ihm die Aufgabe nicht. Im Gegenteil: als Weggegangenem, Abtrünnigem, Abgefallenem schlägt ihm überall die Feindseligkeit der Gebliebenen entgegen. Und wie beim biblischen Sündenfall macht auch Keller die Erkenntnis, die er in Schwant dazu gewinnt, nicht glücklich. Von den Schwantern ganz zu schweigen. Gehen Sie, Herr Keller. Sie haben genug Unheil angerichtet in Schwant. Das sind die letzten Worte, die am Tat- und Ermittlungsort an ihn gerichtet werden. Und Keller geht. Nimmt den Zug und fährt spät nachts die ganze lange Strecke zurück, an deren anderem Ende die Stadt liegt.

 

Auch mein Zug zurück Richtung Stadt fährt bald. Ich bin in Su­miswald angekommen und habe dort, nach drei Stunden Spurensuche in mythischer Landschaft, einen kleinen Kulturschock erlit­ten. Die Betonbauten des Bezirksspitals, des Altersheims, des Hal­lenbads; das große Werkareal der Uhrenfirma; das Nagelstudio, die Modeboutique: Das alles wirkt als wuchtiger Kontrast zum eben Durchwanderten. In diesem Augenblick geht es mir vermutlich nicht anders als vielen anderen urbanen Dienstleistern, die auf dem Heimweg von ihren Sonntagsausflügen sind. Das Bauernherz, das zweihundert Jahre nach Gotthelf noch immer in uns wohnt, hat wie­der mal für ein paar Stunden etwas lauter schlagen dürfen.

Literatur

sam jaun, »Die Brandnacht«., Benziger Verlag, Zürich 1986 (gebunden); als Taschenbuch bei Heyne, München 1993. Beide Ausgaben sind vergriffen, sollten aber in Bibliotheken greifbar sein. Antiquarische Suche unter www.zvab.com.

beat gugger/markus schürpf (hrsg.), »Im Emmental«, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung mit einer Vorbemerkung von Peter Trachsel, alt Stadtpräsident von Burgdorf, Licorne-Verlag, Burgdorf 1997

Routenplan & Höhenprofil

07DuerrenrothBild2

Aufgezeichnet am 6. Dezember 2007 mit GPS-Gerät geko 201

Fotogalerie

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Inhaltsverzeichnis

Neu: alle detaillierten Tourenkarten in diesem handlichen Führer sind mit einem QR-Code ausgestattet, über den Sie die Karten unterwegs auf Ihrem Handy bis zum Masstab 1:10’000^anschauen oder zu Hause ausdrucken können. (In Zusammenarbeit mit SchweizMobil)

Mit dem Vorwort von Thomas Widmer

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